Corona-Tagebuch 186
24. Dezember 2020
Im Bäcker arbeiten sie zu zweit hinterm Tresen. Ich komme mir etwas verboten vor, einzutreten, obwohl sich neben mir ein weiterer Kunde im Laden befindet. Komisch, wie schnell man sich daran gewöhnt hat. Die eine Verkäuferin erkundigt sich nach meinem Befinden und wünscht mir und uns, dass die Baiz, jene Schankwirtschaft, in der wir normalerweise Sonntag für Sonntag auftreten, bald wieder öffnen könne. Ihre Kollegin erkundigt sich: „Ach, die hat auch zu?“ Herzallerliebst. Iggy Pop hat ein Corona-Lied geschrieben. Es heißt ‚Dirty Little Virus‘ und ist gar nicht mal so schlecht. Enthalten die Zeile „Grandfather ’s dead, get Trump instead“, für die, welche wie ich kein Englisch beherrschen, „Großvater ist tot, stattdessen haben wir Trump“. Letzteres nicht mehr lange. In den USA haben sich seit Beginn der Pandemie ein Fünftel aller Häftlinge in den Gefängnissen infiziert, mehr als 1.700 von ihnen sind gestorben und Trump begnadigt noch schnell seine korrupten Kumpane, die zuvor von Gerichten verurteilt worden sind. Was für ein Arschloch! Die in England verbreitete neue Variante des Coronavirus wurde jetzt auch bei Personen in Israel, Singapur und Hongkong nachgewiesen. Der indische Bundesstaat Maharashtra hat für Mumbai und andere Städte aus Angst vor der Verbreitung jener Virus-Mutation eine nächtliche Ausgangssperre verhängt, obwohl dort kein einziger Fall festgestellt wurde. Diese Vorgehensweise beflügelt natürlich dystopische Zukunftsvisionen. Estland, Lettland und Litauen wollen per Sonderflug jene Landsleute zurückholen, die wegen der Corona-Mutation in Großbritannien festsitzen. Die Lufthansa fliegt in umgekehrte Richtung, bringt den Briten 80 Tonnen Obst und Gemüse, weil dies nach Weihnachten knapp werden könnte, aufgrund geschlossener Grenzen. Die Niederlande lassen Reisende aus Großbritannien mit negativem Testergebnis wieder ins Land. Währenddessen wurde in Großbritannien eine weitere Mutation (501.V2), welche zuvor nur in Südafrika auftrat, nachgewiesen. Sie soll noch ansteckender sein. Estland verhängt vom 28.12. bis 17.01. einen Teilshutdown für Gastronomie, Kultur-, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Israel geht in seinen dritten Shutdown, ab Sonntag, für zwei Wochen, diesmal dürfen Schulen geöffnet bleiben. In Mexiko ist das Eintreffen des Impfstoffs umjubelt gefeiert worden, Fahnen wurden geschwenkt, das Fernsehen übertrug live. Außenminister Marcelo Ebrard: „Heute ist der Anfang vom Ende dieser Pandemie.“ Anfang vom Ende? Ist der Anfang vom Ende nicht allgemein der Anfang? Die Schweiz hat gestern mit dem Impfen begonnen. Kanada hat mit dem Moderna-Vakzin seinen zweiten Impfstoff zugelassen, Argentinien als drittes Land, nach Russland und Weißrussland, den Impfstoff ‚Sputnik V‘. Über 100 Covid-19-Tote meldet Zypern, über 200 Malta, über 1.000 Venezuela, über 7.000 die Schweiz, über 70.000 Italien, über 120.000 Mexiko, über 325.000 die USA. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Weihnachtsansprache: „Wir dürfen uns darauf freuen, dass wir das nächste Weihnachten wieder so feiern, wie wir es lieben.“ Okay.
Tipp für heute: Beim Gähnen die Hand vor den Mund halten.
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