Corona-Tagebuch 38
20. April 2020
Ich vermisse die ‚Lindenstraße‘. Weiß gar nicht, was ich gucken soll, komme ich sonntags nach einer Reformbühne (derzeit nur im Livestream) nach Hause. Die ‚Lindenstraße‘ wurde nicht etwa wegen Corona aus- oder abgesetzt, der Beschluss fiel bereits im vorigen Jahr. Zu teuer, zu relevant. Wir setzen stattdessen lieber auf den üblichen Scheiß, werden sich die Verantwortlichen gedacht haben. Darf es noch ’ne Krimireihe mehr sein? Vielleicht ein harmloses Alltags-Komödchen? Oder ’ne Arztserie? Oh, wie wäre es mit einem Quiz? Mein Lieblingssatz seltsamer Schönheit aus dem Monat April stammt vom Präsidenten des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste: „Mehr oder weniger gibt es überall nichts.“ Dies sagte er zum Problem der Versorgung mit Schutzausrüstung. Ist allerdings schon ’ne Weile her. Vielleicht hat sich das ja mittlerweile gebessert? Bei ‚Anne Will‘ fällt der sächsische Ministerpräsident, der so ähnlich heißt wie der baden-württembergische Ministerpräsident, unangenehm durch das Anpreisen deutscher Tugenden auf. Der Deutsche erkenne das Problem, mache einen Plan und ziehe das dann durch, meinte er. Deswegen hätte hier alles bei der Eindämmung von Corona so wunderbar geklappt und man könne nun endlich die Kirchen wieder öffnen. Sicher läuft es in Deutschland günstiger als in den USA, Großbritannien, Italien, Frankreich oder Spanien, doch eben auch ungünstiger als in Polen, Israel, Finnland, Österreich, Norwegen, Australien, Neuseeland, Taiwan, China usw.. Wohlwollend könnte man behaupten, Deutschland schlägt sich achtbar im hinteren Mittelfeld. Auch Bayern führt die Maskenpflicht in ÖPNV und Einzelhandel ein. Südkorea überlegt, religiöse Einrichtungen und Nachtklubs wieder zu öffnen. Auch Sportwettkämpfe ohne Zuschauer will man künftig erlauben. Man schaffte es ganz ohne Ausgangsbeschränkungen das Virus in den Griff zu bekommen, zumindest die erste Welle. In Singapur droht nämlich bereits eine zweite. Hier registrierte man gestern mit 1.426 Fällen so viele wie nie zuvor an einem Tag. Der tschechische Staatspräsident möchte die Grenzen seines Landes mindestens ein Jahr lang geschlossen halten und die Deutsche Post will auch sonntags Pakete zustellen dürfen. Die WHO warnt, es sei falsch zu glauben, „dass der Konsum von hochprozentigem Alkohol das Virus abtöten kann. Das tut er nicht.“ Glaube ich gern. Deshalb verzichte ich ja auf Schnaps und trinke lieber Bier. Weil trotz verhängten Corona-Notstandes viele Menschen in Tokio zusammen kamen, wurden in der japanischen Hauptstadt zehntausende, blühende Tulpen abgemäht. Der Stadtverordnete Takahiro Kogo: „Es war eine herzzerreißende Entscheidung, aber wir mussten es tun.“ Ob in Nikaragua heute gefeiert wird? Die Zweistelligkeit? Das mittelamerikanische Land verzeichnet den zehnten Covid-19-Infizierten. Zu gratulieren erspare ich mir lieber.
Tipp für heute: Alte ausgeleierte Schlüpper als Putzlappen benutzen, statt sie an irgendwelche Zäune zu bammeln, um Obdachlose zu unterstützen.
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