Erfüllte Erwartung

9. November 2019

Auf eine klitzekleine, skurrile Anekdote hatte ich gehofft und wurde nicht enttäuscht, als ich mir gestern Abend das Machwerk ‚Soundtrack zur Freiheit‘ im ZDF reinzog, in welchem es um Musik in Ost und West zur Wende und zum Mauerfall gehen sollte. Natürlich kamen wieder die üblichen Verdächtigen zu Wort, welche egal zu was, immer Stellung nehmen dürfen, in so genannten Doku-Geschichts-Soaps, in denen Musik eine gewisse Rolle spielt. BAP, die Scorpions, ein VIVA-Moderator und die unvermeidlichen Bandmitglieder von Silly. Udo Lindenberg hatte wahrscheinlich keine Zeit. Musikalisch konnte man die Sendung also komplett in die Tonne treten (was Uschi Brüning, die ich musikalisch gut finde, dort zu suchen hatte, bleibt mir rätselhaft). Dabei wäre es wirklich mal interessant gewesen, die Musik zur Wende aufzuarbeiten. Zum Beispiel das, was auf den Straßen gesungen wurde. ‚Dona nobis pacem‘, die zweite Strophe aus dem ‚Arbeitereinheitsfront-Lied‘ von Brecht, ‚Freude schöner Götterfunken‘, vor allem aber die Internationale. Diese Lieder hatten meiner Meinung nach einen gehörigen Anteil daran, dass die Demonstrationen der Wendezeit so (relativ) friedlich abgelaufen sind. Denn es gehörte schon einige Überwindung dazu, für Polizisten eines „Arbeiter- und Bauernstaates“ auf eine Menschenmenge loszuknüppeln, welche Brecht und die Internationale sangen. Ach, die Anekdote, stimmt. Anna Loos, Schauspielerin und neue Sängerin bei ‚Silly‘ erzählte in dem Filmchen, dass sie sich im Osten mal an einer langen Schlange eines Schallplatten-Geschäftes anstellte, weil sie damit rechnete, es gäbe eine Westplatte. Als sie dran war, bekam sie ihre Platte in einer Papiertüte. Draußen zog sie die Platte aus der Tüte und war komplett enttäuscht, denn es handelte sich um eine AMIGA-Platte. Eine AMIGA-Platte von Silly. Zuhause hörte sie diese dann und war natürlich schwer begeistert. Also, mal abgesehen davon, dass alle Rock- und Pop-Platten der DDR, auch die Lizenz-Platten westlicher Interpreten, bei AMIGA erschienen, aber dass sich jemand ewig anstellt und es nicht einmal schafft, wenigstens die Leute vor oder hinter sich zu fragen, was es überhaupt gäbe, nehme ich der netten Dame nicht ab. Auch ist mir schleierhaft, wie das am Verkaufstresen funktioniert haben soll. Hat sie etwa gesagt: „Einmal die Platte bitte, die hier alle kaufen?“ Unglaubwürdig. Auch ich habe mich öfter an solchen Platten-Schlangen angestellt und ödes Zeug westlicher Interpreten erworben, die ich vorher nicht kannte. Ich wusste aber immer, wenn ich dran war, was es zu kaufen gab. „Einmal die Whitesnake-Platte, bitte.“ Huh, gruselig.

Heute: Berlin, Alte Kantine, 20 Uhr: Kantinenlesen mit Eva Mirasol, Lennart Schilgen, Paul Bokowski, Dan Richter und mich

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2 Kommentare zu “Erfüllte Erwartung”

  1. 01

    Ich hatte den Zwangsumtausch von 3 Leuten in Bücher umzusetzen, Klassiker und Gartenbücher. Als ich an der Kasse ankam fehlten mir 1,25 Mark Ost(Rechnen nicht gut). Ich bot 1,25 Mark West, das war ganz schlimm! Ich bat, ein Buch zurückzulegen, schnautzte mich die Dame an, weil es eingetippt war. Nach einer längeren Denkpause mit ungefähr 20 Leuten hinter mir bot ein anderer Käufer mir das fehlende Geld an und ich war gerettet!
    Das war mein einziges negatives Osterlebnis, nur weil ich nicht richtig rechnete ;-)).

    quercus/Roswitha am 9. November 2019 um 18:56
  2. 02

    Ich hoffe, du fandest es nicht negativ, dass der andere Käufer dir das fehlende Geld gab.

    Ahne am 10. November 2019 um 10:51

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