Rheinsberger Tagebuch (16)
6. Oktober 2017
Normalerweise endet meine Zeit als Rheinsberger Stadtschreiber ja am letzten Tage im November, mit einer von Höhenfeuerwerk begleiteten Abschiedslesung in der Remise des Schlosses. Es wird Sekt gereicht. Mittlerweile aber bin ich mir dessen gar nicht mehr so sicher. Denn, was Sturmtief Xavier (ist das eigentlich nach diesem unbequemen Bürgerrechtler, der auch als Schlagersänger arbeitet, benannt worden?) mit den Bahnlinien der Region anrichtete, ist, zumindest von meiner Seite aus, noch gar nicht abzuschätzen. Rings um das Schloss zumindest wurden etliche Bäume entwurzelt, Äste brachen ab, Bauzäune flogen durch die Gegend. Inspirierend für einen Tintenkleckser im sicheren Kämmerlein, selbstverständlich, der blanke Horror aber für im Freien befindliche und die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Hilfsdiensten. Pausenlos schallten den ganzen Abend die Sirenen durch die Stadt. Selbst alte W50-Feuerwehren hatte man entmottet. Eine Stunde bevor es so richtig los ging mit dem Sturm, schrieb mir noch die Rheinsberger Försterin, sie hätte jetzt die Schnauze voll vom Bürotag, ob wir uns nicht treffen wollten, um gemeinsam durch den Wald zu streifen. Ich solle schnell auf ihre Mail antworten. Glücklicherweise bin ich arg langsam und las die Frage erst, als vor meinem Fenster ein Karwenzmann von einer Buche umkippte, zwar nicht in meine Richtung, trotzdem. Da war ich schon ein wenig beeindruckt und beschloss die Einladung unter einem fadenscheinigen Vorwand auszuschlagen. Ich müsse noch ein bahnbrechendes Werk schreiben, irgend sowas.
Tipp für heute: Auch kurz nach einem Sturm kann im Wald noch einiges Holz von oben herab regnen.
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