Trash-Analyse

26. Februar 2012

Man kann ja gegen den Tagesspiegel sagen was man will, aber die Besprechungen der Spiegel-Bestsellerliste (Belletristik & Sachbuch abwechselnd) durch Denis Scheck sind schon große Unterhaltungskunst. „Die Handlung lässt sich damit zusammenfassen, dass Cassia und Ky sich ganz doll lieb haben, leider aber getrennt sind.“ oder „Der dritte Fall des Sonderdezernats Q der Kopenhagener Polizei ist im Millieu evangelikaler Sektierer angesiedelt und strahlt dieselbe nervenzerfetzende Spannung aus wie ein Weltmeisterschaftsfinale im Pfahlsitzen.“ oder „Er ist wieder da: Paulo Coelho, unangefochtener König des Esoterikschunds, ein Autor, dessen in der Literaturgeschichte beispielloser grotesker Dilettantismus in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seinem Erfolg steht.“ Mein Favorit allerdings die Besprechung der, natürlich, Nummer 1, nämlich Jussi Adler-Olsen: Das Alphabethaus. Da schreibt Herr Scheck: „Zwei während des Zweiten Weltkriegs abgeschossene englische Piloten schlüpfen in die Identitäten von SS-Offizieren, die 1944 von der Ostfront in ein psychiatrisches Pflegeheim bei Freiburg im Breisgau verlegt werden. Obwohl einer von ihnen kein Wort Deutsch spricht, bemerkt das dort über Monate hinweg kein Mensch. … Offenbar schwebte Adler-Olson (Adler-Olsen oder Adler-Olson, hmm, d.A.) eine Art „Rambo“ vor deutscher Kulisse vor. Aber herausgekommen ist ein unglaubwürdiges und sagenhaft blödes Machwerk, weil für Adler-Olsen (wahrscheinlich also doch Adler-Olsen, d.A.) Nazis, SS und Zweiter Weltkrieg bloß literarische Spielmarken sind wie Kasperle, Godzilla und King Kong. Dieses 15 Jahre später als das dänische Original veröffentlichte Debüt ist ein heißer Anwärter auf den dämlichsten Nazi-Thriller aller Zeiten.“ Macht Lust auf mehr.

Heute: Berlin, Kaffee Burger, 20:15 Uhr: Reformbühne Heim & Welt mit Jürgen Witte, Falko Hennig, Jakob Hein und mich, der fabelhaften Daniela Böhle und den ultrasensiblen Supersondergaststars Jacinta Nandi sowie Karl Neukauf und Kollegen. Kommt alle vorbei und bringt eure Omis mit.

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10 Kommentare zu “Trash-Analyse”

  1. 01

    Haste jetz erst jemerkt? Dann warte mal auf die Sachbuchlistenbesprechung. Der Scheck ist einfach herzerfrischend klar und deutlich und so schön ohne Hintertür in seinem Urteil. Einfach herrlich.
    Berufsbedingt lese ich zur Zeit die Frankfurter Allgemeine und deren Rezensenten geht einer ab, wenn Sie besonders gestelzt und unverständlich kommentieren dürfen. Schrecklich.

    Übrigens: Das e nach dem s isses. Haste aber ja auch schon selbst festgestellt.

    der Grit am 26. Februar 2012 um 20:01
  2. 02

    Den Herrn Scheck kann man auch wunderbar schwäbelnd im Dradio hören. Besser als diese Zeitung zu lesen, die bei mir seit ihrer Anti-Schokoladen-Hetze (durch den KAS-Mitarbeiter Herrn Hesselmann) absolut nicht mehr unter die Brille kommt.
    Tipp für Momente, wo man eh schon schlechte Laune hat: Tagesspiegel-Leserkommentare lesen. Da äußern sich die Leute, die uns mal totschlagen werden, wenn wir alt und arm und unbrauchbar sind.

    generator am 26. Februar 2012 um 21:06
  3. 03

    @ generator: Das ist mir auch schon aufgefallen, aber ich glaube, dass es auch extra rechtsradikale Personen sind, die versuchen, Bedeutung dadurch zu erlangen, indem sie so genannte bürgerliche Presse versuchen zu unterwandern. Ist einfach zu auffällig, aber vielleicht ja auch bloß für mich.

    Ahne am 27. Februar 2012 um 00:22
  4. 04

    Mich erinnert das an „Brust oder Keule“ mit dem herzerfrischenden De Funes: „Wenn Sie heute noch in die Intesivstation des Soundso-Krankenhauses eingeliefert werden möchten, dann essen Sie im Soundso-Restaurant das Soundso-Gericht.“ (Frei nach Gedächtnis) Scheck finde ich brilliant.

    robert am 27. Februar 2012 um 19:12
  5. 05

    Danke für diese Entdeckung! Scheck macht einen guten ersten Eindruck. Aber warum er Tellkamps Turm mehrfach lobt, ist mir ein Rätsel. Der von „generator“ entdeckte Tagesspiegelartikel liest sich ja wie eine Parodie, ist aber wahrscheinlich ernst gemeint. Eine Zeitung mehr, die zu kaufen ich nicht mehr in Versuchung komme. Auch dafür Danke!

    Spider am 28. Februar 2012 um 10:56
  6. 06

    Ich meine mich zu erinnern, dass Scheck in einer Sendung den Turm in die Mülltonne geworfen hat, kann mich aber täuschen.

    robert am 28. Februar 2012 um 19:48
  7. 07

    … Mit dem Vermerk: Boniertes Machwerk. (Frei nach Gedächtnis) Aber gerade gegoogelt: „Im Vergleich zum Rest ein Lichtblick.“ Wobei das im Vergleich zum Rest auch „was für eine Scheiße“ bedeuten kann. Der Rest war eben nur noch schlechter.

    robert am 28. Februar 2012 um 19:59
  8. 08

    Tippfehler oder meinte er boniert oder doch eher borniert?

    Ahne am 28. Februar 2012 um 21:01
  9. 09

    Mein Gott, wenn wir uns jetzt über Tippfehler streiten, wie soll dann der Weltvrieden jemals über uns kommen?

    robert am 6. März 2012 um 20:20
  10. 10

    Naja, nich wegen streiten, sondern boniert kann ja eben auch jemand sein, wie wir nach den ganzen Affären der letzten Zeit wissen.

    Ahne am 6. März 2012 um 22:56

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