Der Künstler hat den Kontakt zur arbeitenden Bevölkerung verloren
4. Januar 2012
Gab gestern bei uns zuhause eine lebhafte Diskussion darüber, ob es heutzutage normal ist, dass Werktätige ein warmes Mittagessen zu sich nehmen. Ist es noch die Mehrheit der Lohnabhängigen, die in Kantinen versorgt wird, oder wenigstens eine Küche in Arbeitsplatznähe haben, wo sie sich etwas zubereiten dürfen, oder die es sich leisten können in Imben oder Restaurationen zu speisen während der Mittagspause? Oder begnügen sich die meisten mit einer Stulle? Benötige nämlich dringend Argumente, warum ich zu faul bin jeden Mittag zu kochen, sondern stattdessen pompös mein (unser) Geld verbrate in einem feinen, französischen Gourmettempel, in welchem ich aber immerhin auch mich weiterbilden kann durch das Studium internationaler Presselektüre wie Playgirl, Motor + Sport oder Bummi. Außerdem erlebt man da ja immer was, was man dann aufschreiben kann, heute zum Beispiel, wie amerikanische schicke Frolleins ihren Reis mit Scheiß in Empfang nahmen, nämlich: „Whow! Yeah!! Great!!! Thank you very much!!!!“ (Ausrufungszeichen symbolisieren die Steigerung der Lautstärke.) Das machte den Berliner Kellner mit asiatischem Hintergrund sichtlich verlegen.
Tipp für heute: Seiner Freude über eine warme Mahlzeit hörbar Ausdruck verleihen.
9 Kommentare zu “Der Künstler hat den Kontakt zur arbeitenden Bevölkerung verloren”
01
Argumente:
Du machst die Küche fürchterlich dreckig und unordentlich.
Du unterstützt den Mittelstand.
Da der Euro sich erwärmt und das Klima eine Krise hat ist sowieso bald alles vorbei.
Da gibt´s so nette Frolleins.
Du kannst dem Personal kostenlos ein paar Tipps zur Nahrungszubereitung geben.
02
und? isses normal, die Norm, die Regel, die Ausnahme???
in der Lausitz liegen Salat- und Joghurtbecher in den Straßengräben… aus Handwerker-Lieferwagen geworfen…
03
Früher war mehr „Henkelmann“. (Aber nicht der von den Plakaten sondern aus Blech.)
04
Ich esse meist auf Arbeit warm. Weniger weil es lecker ist (mecklenburgische Hausmannskost aus der Großküche), mehr weil die gemeinsame Mittagspause so einen informellen Austausch mit den Kollegen ermöglicht. Also eher soziale als lukullische Gründe. In Deinem Fall ist es doch genauso: In Deiner heimischen Küche würdest Du keine Amigirls treffen, die Quatsch machen. Und abwaschen müssteste auch noch.
05
Aber ich würde eben auch gleich für die anderen mitkochen können. Ich glaube darum geht es.
06
Verstehe. Aber zuhause für liebe Menschen würde ich eher abends kochen. Wegen der Geselligkeit. Am Wochenende esse ich niemals mittags warm. Da kann man sich doch’ne Stulle machen, wenn man Hunger hat.
07
sag ich doch.
08
Und natürlich ein unbestimmtes: „Ich habe es doch für uns getan…“
09
Stimmt. Oder auch: „Wenn ich es nicht tue, wer dann?“
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