Corona-Tagebuch 579
26. Februar 2022
Noch ist Kiew nicht unter Kontrolle der russischen Armee. Erste Flüchtlinge aus der Ukraine kommen in Berlin an. Was mögen sie denken? Nur eine kurze Episode in ihrem Leben? Werden sie ihr Zuhause jemals wiedersehen? Putin strebt nach eigenen Worten ja „die Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“ an. Und das von jemandem, der seit Jahren Nazis und Nationalisten in ganz Europa unterstützt, sowohl finanziell als auch ideell. Um uns irgendwann von ihnen „befreien“ zu können? Wie viele bereits ihr Leben ließen, in diesem Krieg? Ich weiß es nicht. Den Meldungen beider Seiten über Opferzahlen ist nicht zu trauen. Seinen Platz in der Geschichte aber hat Putin sicher, als Kriegsverbrecher und Tyrann. Die Wirtschaftssanktionen vieler Länder gegen Russland kann ich nicht beurteilen. Auf mich wirkt es hilflos und inkonsequent. Liege ich falsch? Dass das Brandenburger Tor in Berlin und der Eiffelturm in Paris blau-gelb angestrahlt wurden, macht sicher nicht allzu viel Eindruck auf die Herren im Kreml. Gestoppt wurde ein italienisch-russisches Projekt zur Möglichkeit von Kreuzimpfungen mit Astrazeneca und Sputnik V, des Krieges wegen. Nun ja. Die deutsche Bundesregierung strich gestern 37 Länder von der Liste der Hochrisikogebiete, darunter die Ukraine. Makaber. Seit heute können in den ersten Bundesländern Menschen sich mit dem „Totimpfstoff“ Novavax impfen lassen. Ob es viele „Impfskeptiker“ tun werden? Ich bin skeptisch. Eine schwedische Untersuchungskommission kam zu dem Ergebnis, dass die auf Freiwilligkeit basierende ‚No-Lockdown-Strategie‘ in Schweden insgesamt richtig gewesen sei, aber „im Februar und März 2020 hätte Schweden sich für strengere Vorbeugungs- und Kontrollmechanismen entscheiden sollen.“ Bisher starben dort an oder mit Covid-19 über 17.000 Menschen, deutlich mehr pro Einwohner als in den skandinavischen Nachbarländern, weniger allerdings als in den meisten europäischen Staaten, die sich für strengere Lockdowns entschieden. Rekorde an Neuinfektionen melden Neuseeland, 13.625 und Hongkong, 17.063 Fälle am Tag, sein erstes Corona-Todesopfer überhaupt der Südseestaat Tonga. Über 945.000 Covid-19-Tote insgesamt verzeichnen die USA. „Zukunftsforscher“ Matthias Horx, mein Lieblingsknallkopp, der noch vor zwei Jahren prognostizierte, die Welt werde nach Corona eine bessere sein: „In der neuen Welt spielt Vermögen plötzlich nicht mehr die entscheidende Rolle. Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten“, hat sich, nein, nicht etwa entschuldigt, für den Quark den er prophezeite, er sieht sich bestätigt: „Corona hat auch Positives in Gang gesetzt, das wir unterschätzen, weil wir so auf ’s Negative fixiert sind, auf Skandal und Streit“, so Horx zu dpa, „Das Virus hat uns mit unserer menschlichen Bedrohtheit und Verletzlichkeit konfrontiert. Dadurch hat in vielen Bereichen ein Umdenken eingesetzt.“ Ach ja? Wo denn? Beim Umweltschutz? In der Frage von Krieg und Frieden? Haben sie nicht langsam mal genug in die Glaskugel geschaut, Herr Horx? Was sagt ihr Rentenbescheid?
Heute: Berlin, Alte Kantine, 20 Uhr: Kantinenlesen mit Susanne Schirdewahn, Frank Sorge, Stephan Serin, Dan Richter und mich
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