Corona-Tagebuch 524
26. Dezember 2021
Alles gemeinsam wahrscheinlich, der nächtliche Frost, die große Weihnachtsfluchtwelle in die Herkunftsgegenden der Prenzlauer-Berg-Anwohnerschaft und die Sorge vor der „Omikron-Wand“ bescherten mir gestern einen Heimweg vom Kantinenlesen, wie er meines Wissens nach noch nie vorgekommen ist. Von der Schönhauser Allee, die gesamte Choriner Straße hinunter, begegnete mir keine einzige Menschenseele. Schöne Erfahrung, wenn auch ein bisschen gruselig. Hatte als Kind ja öfter mal Träume, die Neutronenbombe sei eingesetzt worden und ich wäre als einziger übrig geblieben. In denen lief ich auch einsam durch die Straßen. Was ist aus der Neutronenbombe eigentlich geworden? Anders als über Corona spricht von ihr niemand mehr. Liegt sie irgendwo in einem Schuppen, bedeckt von einer Staubschicht? Armes Neutronenbömbchen. Kann ja nichts für, dass die Menschen sie für solch schreckliche Sachen einsetzen wollten. Ich täte der Neutronenbombe jetzt gern eine Butterstulle schmieren. Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, erklärte in der Springer-Postille ‚Welt am Sonntag‘, die Impfpflicht werde „die Spaltung in der Gesellschaft eher überwinden als vertiefen“, denn „eine einheitliche Pflicht, die für alle gilt, schweißt zusammen“. Logo. Hätten wir nicht die Straßenverkehrsordnung, die Gesellschaft wäre längst komplett zerbröselt. Der „mitteldeutsche“ evangelische Landesbischof Friedrich Kramer sieht die Sache, falls mich nicht alles täuscht, differenzierter: „Das Impfen und die Debatte darüber hat einen religiösen Charakter angenommen.“ Kramer weiter: „Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben, aber einen Widerstandsaufruf daraus abzuleiten, ist völlig abstrus in diesem Land.“ Bei einer Demonstration gegen Corona-Auflagen von 600 Menschen in Koblenz kam es, laut Polizeiangaben, zu „einer kleinen Schubserei“. Die Beamten setzten Tränengas ein. Hamburgs Regierender Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zu Protesten gegen Corona-Maßnahmen in seiner Hanse-Stadt: „Ich denke nicht, dass es sich bei den Demonstranten um von Extremisten instrumentalisierte Personen handelt. Sie gehen für eine Haltung auf die Straße, die ich nicht teile, aber die in einer Demokratie und freien Gesellschaft zu erwarten ist.“ Mal ein angenehm entspanntes Statement. Rekorde an Neuinfektionen melden Italien, 54.762 und Frankreich, 104.611 Fälle am Tag. Über 1.000 Covid-19-Tote verzeichnet Madagaskar, über 3.000 Nigeria. Einer Studie des „Zukunftsforschers“ Horst (guter Name für einen Zukunftsforscher!) Opaschewski (noch besserer Nachname!) zufolge blicken 53% der Deutschen mit „großer Zuversicht“ in das Jahr 2022 (letztes Jahr 56%). In Ostdeutschland ist die große Zuversicht ein klein wenig gedämpfter, hier herrscht sie lediglich bei 50% vor. Aber gut, immerhin!
Heute: Berlin, Schankwirtschaft Baiz, 19 Uhr: Reformbühne Heim & Welt mit Susanne Riedel, Falko Hennig, Spider, Heiko Werning, Frank Sorge, Gott und mich sowie vielleicht auch einem Überraschungsmusikgast (Ivo Smolak jedenfalls kann nicht, da seine Wasserleitungen in der Uckermark zugefroren sind)
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