Corona-Tagebuch 420

25. August 2021

Mit Mutti über den Freiheitsbegriff geredet. Anlass war das Wahlplakat eines CDU-Hinterbänklers bei uns im Bezirk, der die Parole ‚Freiheit statt Sozialismus‘ aus der Mottenkiste holte. Kaum ein Wort wird in der politischen Agitation so häufig verwendet wie ‚Freiheit‘. Nur was damit gemeint ist differiert nach Weltanschauung. Im kapitalistischen System wird darunter eher wirtschaftliche Freiheit verstanden, wobei der natürlich ebenfalls Grenzen gesetzt sind durch die Gesetze. Schon bei der Freiheit der Meinung und des Wortes wird es knifflig, denn du unterliegst ja Zwängen im Verdienen deines Lebensunterhaltes, musst also bedenken, was du auf Arbeit so äußerst, willst du deinen Job behalten oder was du beim Jobcenter äußerst, willst du dein Hartz-IV-Geld bekommen. So gesehen gab es auch in der DDR die Freiheit jedwede Meinung zu äußern, nahm man die Konsequenzen in Kauf, was im ungünstigsten Falle zu Gefängnis führte. Dann ist man natürlich nicht frei, eingeschränkt zumindest im Bewegungsspielraum. Aber ist jemand frei, der Monat für Monat darum kämpft die Miete bezahlen zu können? Ist jemand frei, der Angst hat vor wirtschaftlichem Abstieg, vor Altersarmut? Der Anbieter Lotto24 will in Deutschland zwei Millionen Freilose für Geimpfte und Personen, die sich bis 30. September impfen lassen, verteilen. Mitmachen dürfen auch Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, wenn sie einen Nachweis erbringen. ‚Freiheit+‘ soll die Impflotterie heißen. Der Hauptgewinn beträgt 250.000 €+ 5.000 € pro Monat für 15 Jahre, insgesamt also 1,15 Millionen. Ein hübsches Sümmchen. Man wolle einen Anreiz zur Impfung geben, so die Kampagnenleiterin des privaten Online-Lotto-Anbieters. Pro Los spende man sogar noch 50 Cent für Bildungsprojekte. Wie selbstlos! Fällt mir ein, was passiert eigentlich mit den persönlichen Daten der Teilnehmenden? Hamburg erlaubt ab Sonnabend Gastronomie und Kulturbetrieben die 2-G-Regel, welche den Besuch nur Geimpften und Genesenen gestattet. Im Gegenzug entfallen sämtliche Beschränkungen (Abstand, Maske, Testpflicht, Tanzverbot, Kapazität). Ein Lichtblick sicher für viele gebeutelte Veranstalter und Gastronomen, welcher die Freiheit Ungeimpfter zwar einschränkt, doch sie konnten dafür frei wählen auf eine Impfung zu verzichten. Laut ‚Berliner Morgenpost‘ sind 26 Demonstrationen mit Corona-Bezug dieses Wochenende in Berlin angemeldet, darunter ein „Großaufzug“ der Querdenker mit dem Titel ‚Für Frieden und Freiheit‘. Japan weitet den Corona-Notstand auf 8 weitere Präfekturen aus, bedeutet aber nicht viel mehr, als dass appelliert wird zuhause zu bleiben. Griechenland gewährt ab 13.9. den Zutritt zu Lokalen oder Sportvereinen nur noch Geimpften und Genesenen. Dann kosten auch Schnelltests Geld, mit deren Negativergebnissen weiterhin Kinos, Theater und Museen besucht werden dürfen. Außerdem müssen sich im öffentlichen wie im privaten Sektor nicht geimpfte Angestellte ein bis zweimal pro Woche, je nach Beruf, testen lassen. Eine Impfpflicht für fliegendes Personal führt die Schweizer Fluggesellschaft ‚Swiss‘ ein. Über 400 Covid-19-Tote meldet die Elfenbeinküste, über 600 Guyana, über 4.000 die Dominikanische Republik, über 9.000 Vietnam, über 575.000 Brasilien, über 630.000 die USA. US-Gesundheitsexperte Anthony Fauci im Fernsehsender CNN, er gehe davon aus, die Pandemie könne bis Frühjahr 2022 unter Kontrolle gebracht werden, wenn die Menschen sich impfen ließen: „Wir könnten zu einem gewissen Grad an Normalität zurückkehren.“

Tipp für heute: „Wer ist schon normal, außer ’n Papagei mit ’nem Filzstift im Arsch.“ (Zitat: Goyko Schmidt, B-Seite der Single ‚Llf‘, Texter: Konrad Endler).

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